Gespräche auf Reisen über Grateful Dead, Teil 1
"Bleibe im Lande", heißt die Parole dieses Jahr, von wegen Corona. "... und nähre dich redlich" geht das Sprichwort weiter; man könnte jetzt fortsetzen: "... und lerne das eigene Land besser kennen" (so wie meine Frau Christa und ich kürzlich erstmals die Sächsische Schweiz), oder "... und freue dich, dass es das eine und andere Festival trotzdem geben wird" – vor allem das "Playing in the Band" der Grateful-Dead-Freunde in Schneidenbach, auf das ich mich sehr freue! –; oder auch durch: "... und nähre dich von den Erinnerungen an frühere Reisen in andere Länder". Deshalb hab ich mal in ein paar Reiseberichten geblättert, die ich jeweils nach dieser und jener Auslands-Fahrt verfasst hatte –
und weil ich auf diesen Reisen fast jedesmal auf Menschen getroffen war, die die Grateful Dead kennen oder gar lieben, möcht ich die betreffenden Stellen hier gern wiedergeben. (Seht mir bitte nach, dass dieses Posting ein bisschen länger als sonst daherkommt.)
Mai 2016, Jakobsweg-Wanderung in Südfrankreich. In einer Herberge Begegnung mit einem Paar aus USA:
"Sie leben in Minnesota, nicht weit von der kanadischen Grenze, haben eine große Farm bewirtschaftet, sich jetzt zur Ruhe gesetzt. Es gibt erwachsene Kinder, auch Enkel. Tom ist in Los Angeles aufgewachsen. So kommt die Rede nicht nur auf unseren Sohn Peter, der mit seiner jungen Familie jetzt für ein paar Jahre in dieser Stadt lebt, sondern auf Kalifornien, auf San Francisco, die dortige Alternativbewegung der Sechziger und Siebziger, und auf die wunderbare Musik, die die gesegnete San Francisco Bay dem amerikanischen Kontinent und der Welt geschenkt hat. Jawohl, meine Lieblingsband kennen sie natürlich, haben sie dort einst auch im Konzert erleben können. Andere Namen fallen, auch der des größten Rock-Poeten des Landes (und der Welt, for that matter). 'By the way, he's from Minnesota!' Stimmt: Bob Dylan,1942 in Duluth, Minnesota geboren, ist in Hibbing, Minnesota aufgewachsen, bevor er 1961, nach New York ging."
Eine Woche später treffen wir wieder auf einen Amerikaner :
"... noch jung: Anfang zwanzig, breiter Sonnenhut, ein ebenmäßiges Gesicht mit klarem, ernstem Blick. Er hat den Weg in Le Puy begonnen, wird ihn bis Santiago gehen. Acht Wochen hat er sich Zeit genommen. Er kommt aus den USA. Und woher dort? Na ja, es können nicht immer Kalifornier sein, die ich treffe: Virginia ist seine Heimat. [...] Wie sollt' es anders sein: ich frage den jungen Mann nach seinen musikalischen Vorlieben. Die fünf-sechs Namen aus Rock, Blues und Jazz, die er mir, immer im Weitermarschieren, als erste nennt, genügen bereits, in ihm einen Seelenverwandten ahnen zu lassen. Es sind neben einigen jüngeren Künstlern auch solche dabei, die in den Sechzigern und Siebzigern ihren Weg begonnen haben. Ich äußere meine erstaunte Freude darüber, dass ein so viel Jüngerer diese Musiker noch schätze. Er schätze – so seine Antwort – vor allem diese; manchmal habe er das Gefühl, in der falschen Generation geboren zu sein... Dann kenne und schätze er womöglich auch – –? Bei dem Namen jener Band, die meiner Seele so gut tut, schaut er mich kurz an, bleibt stehen, lupft wortlos das T-Shirt ein Stück: sein Gürtel wird sichtbar, rundum bestickt mit einem der Embleme eben dieser Gruppe. Holt sein Smartphone raus, hält es mir hin: 'Hier, ihren Rhythmusgitarristen hab ich vor zwei Monaten mit einigen neuen Mitmusikern auf einem Konzert erlebt. War großartig!'
Und so steh ich hier im südfranzösischen Wald im Schlamm, und auf dem Smartphone-Display dieses dreiundzwanzigjährigen Amerikaners bewegt sich ein Musiker, der vor einundfünfzig Jahren, als Achtzehnjähriger, jene Gruppe mitgegründet, ihr die ganzen dreißig Jahre bis zu ihrer Auflösung angehört und auch danach bis heute weiterhin hervorragende Musik geschaffen hat. Einst ein langhaariger Jüngling, ähnelt er jetzt mit seinem schönen silbernen Vollbart ein wenig dem späten Maximilian Schell ..."
April 2018, im siebenbürgischen Hermannstadt (rumänisch: Sibiu); mit einem Freund in einer Pension; unter den Mit-Gästen
"... ein wettergegerbter Sechziger mit breitem Amerikanisch, ein Holzschnitzer; er möchte in die Maramuresch – diese nordrumänische Region an der Grenze zur Ukraine ist berühmt für ihre Holzkirchen und reich geschnitzten Holztore. Der Mann aus Alaska ist freudig erstaunt, zu erfahren, dass mein Freund diesen US-Staat vor einigen Jahren bereist und dort sogar den sehr schwierigen Mount Pavlof, einen Schichtvulkan, zu besteigen versucht hat; und ist amüsiert über meine Auskunft, dass die kalifornische Rockgruppe 'The Grateful Dead' im Laufe der dreißig Jahre ihrer Tourneen durch die Vereinigten Staaten ein einziges Mal sogar in Alaska aufgetreten sei (und dass in einem ihrer Songs überdies 'a woodcutter’s daughter' vorkomme). Ich frage ihn nach Sarah Palin, der früheren Gouverneurin seines Staates und Aktivistin der rechtspopulistischen Tea-Party-Bewegung; und erfreue ihn mit jenem vorwärts wie rückwärts gleich zu lesenden Satz, den man einst, als die in dem Alaska-Städtchen Wasilla Wohnende für das Amt der US-Vizepräsidentin kandidierte, auf ihre arg enge Weltsicht münzte (er kannte's noch nicht) : WASILLA'S ALL I SAW ... ( Nix mit dem Nachnamen der so Verspotteten zu tun hat die aus dem Griechischen stammende Bezeichnung 'Palindrom' für solcherart Buchstabenketten – von ganz kurzen wie UHU oder ANNA über längere wie LAGERREGAL bis hin zu ganzen Sätzen wie BEI LEID LIEH STETS HEIL DIE LIEB', gekrönt von dem genialsten aller Palindrome, über den Erbauer des Panama-Kanals : A MAN, A PLAN, A CANAL – PANAMA ! )"