Trip mit dem Woodstock-Psycho-Chevy
Von Marcus Schneider- Freie Presse Plauen,17.05.99
Malzhaus: Hommage a  “Greatfui Dead”
– Der kleine Mann mit der Wollmütze erweckt Manitou von Woodstock

PLAUEN.- Irgendwie scheint es ein Manko zu sein, noch nie was von den “Gratefui Dead” gehört zu haben. Peinlich, wirklich. Und natürlich wieder viel zu spät aufgekreuzt! Ausgerechnet die Band mit dem seltsamen und daher interessantesten Namen “Aoxomoxoa” ist schon wieder aus dem Dunstkreis der Bühnenbeleuchtung verschwunden.

Dafür hängt alles voller bunter Tücher. Es sind die kosmischen Spiralen, die Fäden des Universums -die beliebten Batiken aus dem geistigen Hause Woodstock. Die korrekte Kulisse für ein “Psychedelic Music Special” unter den Gewölbebögen des Malzhaus-Kellers. Ein Mensch verkauft dort gebatikte Slips – auch Sex kann (vielleicht sogar soll) psychedelisch sein. Und glücklicherweise ist die ganze Familie “Ur-Hippie” versammelt. Die teilweise schon ergrauten langen Mähnen und Barte, die leicht verbeulten Jeans und Stoffwesten, die Kinder. Sie kommen von sonstwoher – nur (fast) nicht aus Plauen.

Indes hat die Euphorie beschlossen, mit ihrem Ausbruch noch ein Stück zu warten. “Schluff Jull” bemühen sich, doch der Motor der Psychedelik stammt nicht aus einem zornigen Thunderbird. Es ist eher ein etwas zu PS-schwacher ´57er Chevy, der monoton durch die Wüste von Arizona rollt, staubig, klappernd. Woodstock ist alt geworden,aber nicht tot. Dafür sorgen schon die “Deadheads”, die mit ihrem Meeting den grossen Vorbildern huldigen, die zwischen ´65 und ´95 offenbar Meilensteine gesetzt haben.

Denn eigentlich hat sich im Malzhaus sowas wie ein Fanclub getroffen. Es ist das Debüt von Gerd Baumann und Beate Tryonadt aus Reichenbach. Vier Bands haben sie geholt, um den “Freudvollen Toten” zu gedenken. Oder besser: Um sich ihnen über die psychedelische Ebene zu nähern, die sie mit ihrer Musik hinterlassen haben. Die Fans wollen es so, sie sind begeistert von dem “Playing In” – aber sie bleiben unter sich. Nur um ein bisschen Psychedelik zu schnuppern, dafür ist aussenstehenden Neugierigen der Preis zu hoch und das weitere Wochenend-Angebot wohl zu vielfältig. Was niemanden weiter kümmert, wenn dafür dutzendweise “Deadheads” aus dem Ruhrpott, der Schweiz, aus Preussen oder den Tiefen des ähnlich rudimentär psychoaktiven Bayerns anreisen.

Allmählich erwacht Manitou von Woodstock bei “Schluff Juli”. Ja, sie sind Freaks geblieben, zelebrieren wie einst einen Traum, der ein Stück Leben geworden ist. Es ist der kleine Mann mit der Wollmütze, der den Anfang macht. In der Wüste von Arizona, dem Klangteppich der neunköpfigen Versammlung, hat er die Vision. Erzählt sie über die Trompete, geht völlig ab. Nacheinander folgt die gesamte Besatzung des ´57er Chevy, jeder spricht sich aus; die anderen hören zu, aber halten die Atmosphäre fest, frei und doch auf einer Ebene. Die Faszination psychedelischer Musik, die das Einssein mit dem Instrument voraussetzt – und die Bereitschaft, ein anderes Bewusstsein zu erleben. Später dann das Lagerfeuer mit “Blu´men”, die akustische Runde, in der sich alle der Klassiker erinnern, der Sitting Bulls und Magic Plants.

Und es ist fast wie eine gemeinsame Vision, als die britische “Shotgun Ragtime Band” nach Mitternacht den Horizont dieser Party erreicht. Als die Geister der “Gratefui Dead” herabsteigen, wie sie auf den Platten klingen. Und sich der Trip durch die Wüste doch noch gelohnt hat.

Erstmals in Plauen: “Playing In The Band –
A Psychedelic Music Special ”
Von Aoxomoxoa bis Schluff Jull -von Thoralf Lange


PLAUEN. – Wer im Internet die World-Wide-Web-Adresse germanheads.de ansurft, wird mit farbenprächtigen, halluzinogenen Bildern konfrontiert.Diese verweisen auf das Festival ,”Playing In The Band-a Psychelic Music Special”. Erstmals in Plauen geplant, beschäftigt sich dieser zweitägige Livemarathon mit Psychedelic Rock im allgemeinen und mit Musik im Sinne der zeitlos-faszinierenden ,”Gratefui Dead” im besonderen. Im Malzhaus werden Bands aus Grossbritannien und Deutschland spielen – im Sinne der US-Kultgruppe.

Die Mit-Veranstalter des Ereignisses, Beate Tryonadt und Gerd Baumann, wohnen in Reichenbach. Baumann erlebte sein “Coming Out” in Sachen GratefuI Dead bereits 1981, während der Liveübertragung eines Konzertes der Amis im ARD-Rockpalast: “Beim dritten Song hatten sie mich.” Bis er aber ein eingefleischter “Deadhead ” war – so nennen sich die Fans der weltumspannenden Bewegung -, sollten erst noch ein paar Jahre ins Land ziehen, musste die politische Wende in der DDR erfolgen. Nach dem Mauerfall sah Baumann dann die „Dead” bei einem Konzert im Berliner ICC: “Es war unglaublich.”. Er machte das Fan-Sein zu seiner Lebensphilosphie. Seit einiger Zeit reist er zu Deadhead-Treffen, sammelt Tonträger, steht mit Gleichgesinnten von sonstwoher in Kontakt: “Deadheads sind wie eine grosse Familie.”

Auch seine Lebensgefährtin und sein Freund Matthias Peter, der das Plauener Festival mit organisiert, sitzen im gleichen Boot. Peter ist Schlagzeuger hei der Band “Aoxomoxoa” und Insidern vielleicht noch als Mitglied der legendären Reichenbacher,”Traven Band” bekannt, die lange vor der Wende Songs von Velvet Underground und ähnliches zum Besten gab. 1996 hat Matthias Peter in seinem jetzigen Wohnort Potsdam das erste ostdeutsche Deadhead-Festival überhaupt organisiert. Mittlerweile gehört dieses Treffen zu dreien seiner Art, die jedes Jahr in Deutschland stattfinden. Auf der Suche nach geeigneteren Räumen für das Ost-Psychedelic-Festival kam man mit Ute Gotter vom Malzhaus ins Gespräch-und macht nun die Probe aufs Exempel. Angesagt haben sich jedenfalls schon jede Menge Deadheads, darunter auch welche aus den USA und der< Schweiz. Weitere Interessenten sind natürlich willkommen.

Bei “Playing In The Band” spielen die “Shotgun Ragtime Band” aus Grossbritannien sowie die deutschen Bands “Aoxomoxoa” (Postdam), “Die Blu´men” (Nürnberg) sowie “Schluff Juli” (Viersen). Jeder Act wird beide Tage live auftreten (“Die Blu´men” allerdings nur am Sonnabend). Geplant sind jeweils sieben bis acht Stunden Live-Musik inklusive Open End, getreu den grossen Vorbildern: Die “Dead” veranstalteten Live-Konzerte nicht unter vier Stunden. Natürlich wird man zum Festival auch Songs der “Dead”zu hören bekommen. Allerdings nicht ausschliesslich. Schluff Jull aus Viersen gelten mit ihrem bläsergestützten Sound zwischen Psychedelia, West Coast und Jazz als absolute Könner in der europäischen Psychedelic-Szene. “Highly recommanded” – wärmstens empfohlen – so beurteilt das US-amerikanische Dead-Fanzine Relix deren Musik. Und “Aoxomoxoa” bieten diesmal Songs irgendwo zwischen Westcoast, Soul und Weltmusik. Und zu hören gibt´s im Malzhaus neben vielen eigenen psychedelischen Songs ausserdem auch Covermusik von America, The Band, Jefferson Airplane, Crosby, Stills & Nash und anderen Bands.